Politikfeld » Freiheit
Freiheit gehört zu den unverzichtbaren Grundwerten der bürgerlichen Gesellschaften. Diese kann als Freiheit von Umständen oder Anforderungen (negativer Freiheitsbegriff) oder als Freiheit für bestimmte Entscheidungen und Entwicklungen (positiver Freiheitsbegriff) verstanden werden. Die Freiheit, selbst bewusst entscheiden zu können ist nicht nur Bedingung für demokratische politische Kulturen, sondern eine grundlegende Dimension zivilisatorischer und menschlicher Entwicklung. Im anthropologischen Sinne unterscheidet sich menschliches von tierischem Verhalten durch unterschiedliche Freiheitsgrade im Sinne der Wahrnehmung von mehr oder weniger weit reichenden Entscheidungsalternativen. Die von Georg Wilhelm Friedrich Hegel gegebene Definition von Freiheit als „Einsicht in die Notwendigkeit“ unterstreicht die Bewusstheit oder Angemessenheit einer Entscheidung sowie entsprechende Entscheidungskriterien.
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Rosa Luxemburg definierte politische Freiheit als „Freiheit der anders Denkenden“. Sie hebt damit die politische Differenz von Freiheit und Konsens hervor. Die politische Philosophie von Hanna Arendt betont die Verantwortung für den Nächsten und das Ganze, von der freie Entscheidungen getragen werden sollen. Michael Foucault betont in seiner Schrift „Die Sorge ums sich“ die persönlichen Konsequenzen für freies Verhalten.
Politik gestaltet die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für freies Verhalten, indem sie Handlungsspielräume erkennt und schafft sowie im Bedarfsfall gesetzlich reguliert, einschränkt oder sanktioniert. In diesem Kontext tendiert Politik gegenwärtig unter dem Vorzeichen von Extremismus, Terrorismus, Gewaltkriminalität, gesellschaftlicher Instabilität oder vermeintlicher Feindbilder zu erheblichen Einschränkungen von Freiheit unter dem Aspekt der Sicherheit (vgl. Politikfeld Recht).
Die politische Verwendung des Begriffs Freiheit wird erheblich beeinflusst durch wirtschaftliche Interessen, soziale Differenzierungen, kulturelle und auch ideologische Konventionen. Zensur und Überwachung sind Formen, freies Denken, Verhalten und Publizieren insofern einzuschränken, als diese als Bedrohung der Bürgerschaft, der Zivilgesellschaft, des Staates oder bestimmter Interessengruppen wahrgenommen wird. Im Fall der Bedrohung einer bestimmten herrschenden Schicht und deren dominierenden Einfluss werden ideologische, meist demagogische Begründungen zur Einschränkung bürgerlicher Freiheitsrechte benutzt. In diesem Zusammenhang sind die im Kontext der Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 verwendeten Begriffe „System“, „Systemrelevant“ oder „System gefährdend“ hinsichtlich ihres rationalen bzw. ideologischen Gehalts zu hinterfragen.
Besonders wichtig ist heute die Freiheit, etwas unternehmen, die Initiative ergreifen und etwas Neues schaffen oder erfinden zu können. Wir brauchen erweiterte Handlungsspielräume, die es möglich machen, humane Arbeit, neue Produktionsweisen, Austausch- und Beteiligungsformen sowie neue Produkte zu (er-)finden. Eine Gesellschaft kann sich nicht auf Dauer am Bau von Kraftfahrzeugen oder der Herstellung minderwertiger industrieller Lebensmitteln festhalten, wenn sie nicht gnadenlos auf das Niveau einer blinden, kranken, starren und (selbst-)zerstörerischen Konsummaschinerie herabsinken will.
Klaus Nicolai
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